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Das Sündentuch

 

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… Ravensburg war in den letzten vier Jahrhunderten von einer kleinen Siedlung zu Füßen der welfischen Burg zu dem bedeutendsten Handelsplatz Oberschwabens aufgestiegen. Die günstige Lage an der Straße vom Donauraum zum Bodensee sowie die natürliche Furt, die es erlaubte, hier den Fluss Schussen zu überqueren, machten den Ort zu einem idealen Ausgangpunkt für den Fernhandel und ließen Wohlstand und Einfluss seiner Bürger immer weiter steigen. Schließlich wurde Ravensburg durch Rudolf von Habsburg zur freien Reichsstadt erhoben, die niemandem mehr untertan war als dem Kaiser allein. Ein Reisender, der vielleicht von Lindau aus der Schussen durch die sanfte Hügellandschaft nordwärts folgte, konnte die Befestigungsanlagen, Stadtmauern und Türme schon lange sehen, bevor er die Landwehr überquert und die weitläufigen Gärten und Weinberge hinter sich gebracht hatte. Kam man dagegen aus dem Flattbachtal, so fiel der Blick zuerst auf die Burg, die auf dem Höhenzug östlich der Stadt lauerte, den Sitz des kaiserlichen Landvogts.“

Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Wirtschaft der freien Reichsstadt Ravensburg von der „Großen Handelsgesellschaft“ geprägt.

„Das Netz der großen Handelsgesellschaft, der Humpis-Gesellschaft, wie sie nach einem ihrer Gründer hieß, umspannte den größten Teil Europas. Leinwand und Barchent vom Bodensee brachte sie nach Italien und Spanien; Metallwaren, Pelze, Wachs und Leder von den Nürnberger Jahrmärkten nach Genua. Zurück kamen die Wagen mit Gewürzen, Seide, Korallen, Straußenfedern. Mandeln, Pomeranzen, Bettdecken wurden in Valencia gekauft, Baumwolle und Indigo in Venedig, englische Tuche dagegen in Antwerpen und Brugg im Aargau. In Ravensburg saß die Zentrale der Gesellschaft, von der aus das Geschäft gelenkt wurde, wo sich die Gesellen zu ihren Jahrtagen trafen und neue Mitglieder aufnahmen; hier wohnten nicht wenige der Kaufleute, die als „Neuner“ die Geschicke der Gesellschaft in Händen hielten.“

Nach der Reichststadt Nürnberg war Ravensburg eine der ersten Städte im deutschen Reich, in denen die Papierherstellung aufblühte. Spätestens seit dem beginnenden 15.Jahrhundert sind Papiermühlen im Flattbachtal belegt.

Die jüdische Gemeinde in Ravensburg war nur klein und umfasste drei bis vier namentlich genannte Familien mit ihrem Gesinde, die in der Judengasse lebten. Die Juden in Ravensburg waren als Geldverleiher tätig und gewährten hauptsächlich Kleinkredite. Gegen Zahlung eines Schutzgeldes wurde ihnen jeweils für fünf Jahre das Bürgerrecht verliehen. Obwohl also formal Ravensburger Bürger, unterstanden dennoch die Ravensburger wie alle deutschen Juden als sogenannte „Kammerknechte“ einzig dem König bzw. Kaiser (in diesem Fall Sigismund), dem sie für seinen „Schutz“ regelmäßige Abgaben leisten mussten. Weiterhin wurden sie in Abhängigkeit vom finanziellem Bedarf des Herrschers häufig zu Sondersteuern herangezogen. Bevollmächtigter Sigismunds war Jakob Truchsess von Waldburg, der Landvogt von Schwaben. Er residierte auf dem Familiensitz Waldburg ganz in der Nähe; wenn er für seinen Herrn tätig wurde, bezog er allerdings die Veitsburg oberhalb der Stadt, von der aus man einen hervorragenden Blick über alles hatte, was die Bürger unten unternahmen.

Obwohl Papst Martin V. im Rahmen des Konstanzer Konzils in einer Bulle dagegen Stellung nahm, kam es in den Jahren vor den geschilderten Ereignissen im Bereich Süddeutschland/Österreich immer wieder zu Ritualmordvorwürfen gegen die Juden und judenfeindliche Predigten, vor allem auch durch die Bettelmönche.

 

©Isabell Pfeiffer

 

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